Schwerpunkt

1. Schwerpunkt am fertigen Kart ermitteln
(Vorstellung einer "interesanten" Methode...)

Es interessiert einen ja irgendwie. Wo liegt eigentlich der Schwerpunkt eines Karts? Natürlich mit Fahrer, denn der wiegt ja auch was...

Mit etwas Mathematik sollte es ja kein Problem sein, den Schwerpunkt zu berechnen. Ein paar Eingangsgrößen, wie Gesamtgewicht und Radaufstandspunkte, also deren Abstände, und die Aufstandsgewichte sollten reichen.

Wir haben aber nur 2 Fußwaagen. Damit muß es ja auch gehen. Aber dann müßte man ja in den alten Studienunterlagen "Technische Mechanik" wühlen. Nee - also, das Fach war ja immer ein Grauß (lag wohl am Prof.)... Muß also einfacher gehen. Wenn man keine Lasten berücksichtigen muß, dann geht's mit reiner Geometrie - das ist einfacher :-)

Das Gleichgewicht findet man schnell in der Ebene. Jeweils einmal quer und einmal längs zur Fahrtrichtung Klötzchen unters Chassis legen, die das Kart mit Fahrer leicht anheben. Die Klötzchen solange verschieben, bis eine Position gefunden ist, wo das Kart so im Gleichgewicht auf den Klötzchen schwebt. Da ist jeweils eine Koordinate des Schwerpunktes.

So findet mal also die ersten zwei (X und Y) der drei Schwerpunktskoordinaten recht einfach. Aber... wir hoch ist er über der Fahrbahn (Z)? Stellt man das Kart hinten aufs Chassisende und hebt es vorn an, bis es im Gleichgewicht ist, dann kann man aus dem Schrägstellungswinkel des Chassis und anderen einfach abzumessenden Längen den Schwerpunkt in der Höhe berechnen. Man braucht nur einen starken "Hebär". Gut, daß Wolfgang grad da ist :-)

Wir markieren mit Kreide den Punkt, an dem das Kart hinten mit dem Chassis den Boden berühren wird, wenn Wolfgang es vorn anhebt. Ich nehme einen Zollstock zur Hand und setzt mich als Fahrer ins Kart (mit Helm vorsichtshalber...). Wolfgang nimmt ein Schnurlot in die Hand und hebt das Kart vorn an, bis es im Gleichgewicht hinten aufsteht. Dann läßt er das Schnurlot vom vorderen Chassisende runtertrieseln, bis es den Boden berührt. Ich zeige mit dem Zollstock den Punkt an und lege den Zollstock auf den Boden. Der Punkt ist markiert. Ich rutsche schnell aus dem Sitz und helfe Wolfgang, das Kart wieder abzusetzten. Puhh. Wir lachen uns an - so eine blödsinnige Idee, das :-)

Aber wir haben das am schwierigsten zu ermittelnde Maß für die Berechnung. Die Berechnung steht hier:

...und wer es nach machen möchte, kann sich sogar eine schicke EXCEL-Tabelle zur Hand nehmen - oder auch per Hand rechnen.

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2. Schwerpunkt am fertigen Kart ermitteln
(Vorstellung einer handlichen Methode...)

Methode 1 macht ja Spaß, wenn man im Kart sitzen darf :-) Allerdings kommt es vor, daß man doch gern auch allein mal den Schwerpunkt ermitteln möchte und da muß denn doch in den Unterlagen zu "Technische Mechanik" gewühlt werden. Aber mit etwas mehr Trigonometrie als angenommen geht's denn doch ganz einfach. Der Trick ist eine "Differenzwiegung".

Man stellt das Kart mit seinen Rädern auf vier Fußwaagen. Mit diesen Lasten kann man leicht den Schwerpunkt in der Fahrebene ermitteln, wenn man den Achsabstand und die Spurbreiten ausgemessen hat. Danach stellt man zwischen Fußwaagen der Vorderräder und dem Boden jeweils einen Klotz, hebt also das Kart vorn an. Die beiden Klötze sind natürlich gleich hoch. Dann wiegt man nochmal. Mit diesen spärlichen Daten kann man nun den Schwerpunkt in der Höhe ermitteln.

Wenn man, so wie ich armer Wicht, nur eine Fußwaage hat, dann muß man alle Lasten reihum aufnehmen. Dabei wird unter die nicht zu wiegenden Räder ein Abstandsklotz gelegt, der die Höhe der Fußwaage hat. So wird gewährleistet, daß das Kart immer schön die gleiche Lage bei jeder Wiegung hat - und damit die ermittelten Lasten der Realität entsprechen.

Und wenn man natürlich als Pilot im Kart mitgewogen werden will, dann muß man sich was einfallen lassen, um die Waagen auch abzulesen. Ich hab mir mal Frauchens Schminkspiegel ausgeliehen und einen Spiegelhalter gebaut. Damit konnte ich im Kart sitzend die Lasten ablesen ;-)

Die Klötze sollten schon ein deutliches Maß haben, denn da die Berechnungen sehr kleine Winkel beinhaltet, kann es schon zu recht groben Fehlern kommen. Achim hat hier gleich drauf hingewiesen und damit hat er natürlich recht. Die Literatur empfiehlt Winkel größer 5 bis 10Grad. Also sollten die Klötze so ab 25cm hoch sein. Der Fehler wird dann hinreichend gering sein und vermutlich unter 1cm liegen.

Die Berechnung steht hier:

...und wer es nach machen möchte, kann sich sogar eine schicke EXCEL-Tabelle zur Hand nehmen - oder auch per Hand rechnen.

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3. Schwerpunkt beim Kartbau berücksichtigen
(Wie und warum eigentlich...)

Evo-2,5 und Evo-3 wurden ja eher informativ auf diesen Aspekt hin untersucht. Nachdem sich aber nach div. Gesprächen mit Kartfahrern heraustellte, daß hier ein wesentlicher Ansatz für ein gutes Fahrverhalten zu finden ist, hab ich mich denn damit etwas intensiver auseinandergesetzt - zumal ja bei EVO-4 mit seinem eher unkonventionellen Konzept nicht von Anfang an unfahrbar sein soll.

Mit Evo-3 komme ich gut zurecht. Das Fahrverhalten ist mir insoweit angenehm, daß bei mäßiger Verzögerung eher ein Untersteuern auftritt - bei harter Verzögerung eher ein Übersteuern. Bei leichtem Einlenken bleibt das Kart eben spurtreu. Ab mittlerem Lenkeinschlag merkt man die Tendenz zum Ausbrechen des Hecks.

Schwerpunktslage bezogen auf die Kartmitte in Fahrtrichtung:

Dummerweise neigt Evo-3 in Linkskurven eher zum Übersteuern, als bei Rechtskurven. Das ist unschön und soll bei Evo-4 nicht sein.

Lange hab ich nicht so recht verstanden, warum diese merkliche Ungleichheit im richtungsbezogenen Einlenkverhalten eigentlich überhaupt da ist. Schließlich haben Wolfgang und ich ja den Schwerpunkt an Evo-2,5 recht aufwendig und vor allem zu zweit ermittelt. Und da lag er genau in der geometrischen Längsmitte. der Schluß lag nahe, daß die Lenkung "schief" eingestellt, oder das Chassis einfach verwunden (oder "krumm", wie der Profi sagt) ist.

Hmmm... Beim Chassis von Evo-2 (Evo-2,5 und Evo-3) kann man den Nachlauf einstellen. Und zwar an beiden Seiten. Hier könnte also etwas ungleich sein. Nachmessen zeigt hier keine Ungleichheit. Hmmm.

Letzlich bringt es das SBT2006 deutlich an den Tag: Auf diesen, unseren jährlichen Veranstaltungen werden die Karts gewogen und auch der Schwerpunkt in der Fahrebene bestimmt. Boar, ey, Evo-3 ist doch ein paar Zentimeter rechtslastig. Da ist wohl bei den ganzen kleinen Anpassungen in der letzten Zeit einiges an Gewicht von der linken Seite auf die rechte Seite gewandet. Na klar...die Batterie war mal links neben dem Sitz montiert, ist jetzt mittig ganz vorn. Die Auspuffe gingen quer bis fast nach links außen, die neuen Birnen liegen fast nur rechts hinter dem Sitz. Das zusammen recht schon.

Ok. Also ist es wohl sehr wichtig, daß der Schwerpunkt in der Langsmitte liegt. Um das zu erreichen wird das Konzept von Evo-4 deutlich auf Massensymmetrie zur Längsachse ausgelegt werden. Die Gewichtsmajoritäten sind: Motor, Fahrer und das Chassis selbst. Also liegen am besten alle auf der Chassislängsmitte. Der Kleinkrams (Tank, Lenkrad, Auspuff, Batterie, etc) wird dann "massenneutral" verteilt, so gut es dann eben geht. Wie man das macht und kontrolliert wird hier illustriert, und in jeder Bauphase, die die Plazierung von größen Massen (so ab 2kg) erfordert, kontrolliert.

Schwerpunktslage bezogen auf die Fahrebene:

Der Schwerpunkt des Karts liegt bei allen realisierbaren Konzepten über der Fahrebene. Eine wichtige Feststellung (huahuahua). Bei gradliniger, gleichförmiger Fahrbewegung (geradeaus und ohne jegliche Beschleunigung/Verzögerung) ist die Lage übrigends auch völlig egal. Auch 2m über der Fahrebene verändert das Fahrverhalten in dieser Situation nicht.

Aber wer fährt schon in dieser Manier Kart? Ich bestimmt nicht. Ich beschleunige, bis ich bremsen muß, um nicht von der Bahn abzukommen. Und ich fahre mehrere Runden, also muß ich auch Kurven fahren. Im Allgemeinen überlagern sich Beschleunigen oder Bremsen mit Kurvenfahrten.

Fährt man eine Kurve, dann ist ein hoher Schwerpunkt Mist. Die Massenträgheit sorgt dafür, daß die Masse geradeaus will. Liegt der Schwerpunkt also sehr hoch, ist die Neigung des Karts bis hin zum Umkippen zu erwarten. Je höher der Schwerpunkt liegt, um so deutlicher ist das. Das Umkippen kann man verhindern, wenn man langsam genug in eine Kurve fährt und auch wenn der Radius der Kurve groß genug ist. Wer fährt so Kart? Ich nicht. Ich will schnell fahren. Also schnellstmöglich auch um enge Kurven. Je tiefer der Schwerpunkt liegt, um so geringer ist die Neigung des Karts, umzukippen.

Liegt der Schwerpunkt sehr dicht über der Fahrebene, dann sollte das sehr gut sein. Nicht so ganz... die Masse im Schwerpunkt erzeugt beim Kurvenfahren Druck auf die äußeren Räder. Je höher der Druck, desto besser kleben sie auf der Bahn! Liegt der Schwerpunkt zu tief, dann kann nur wenig Druck erzeugt werden, bevor die Räder rutschen. Die richtige Schwerpunktshöhe ist also so zu wählen, daß man in Kurven maximalen Druck auf die Räder bekommt ohne Umzukippen. Das kann man ausrechnen - für einen gegebenen Kurvenradius. Eine Kartbahn hat aber viele unterschiedliche Kurven. Deshalb ist ein Schwerpunkt nicht für alle Kuven und Kartbahnen optimal. Man müßte also auf jede Bahn anpassen. Das spar ich mir. Ich bin kein Profi - ich will Spaß. Ich lege die Schwerpunktshöhe so aus, daß Evo-4 mölichst überall einigermaßen schnell fahrbar ist.

Dabei orientiere ich mich an Evo-3. Sein Schwerpunkt liegt ca. 23cm über der Fahrebene. In Kurven neigt Evo-3 eher dazu, wegzurutschen, als zu kippen. Will ich mehr Grip in engen Kurven haben, dann neige ich mich als Fahrer nach außen. Damit bringe ich den Schwerpunkt nach außen und erhöhe den Druck auf die äußeren Reifen. Das gleiche würde ich erreichen, wenn ich mich höher bewege (also ein Kissen unter den Po lege. Aber woher nehmen unterwegs.....).

Die erste Skizze unten (Kart von oben) zeigt die Kraft Fa, die beim Kurvenfahren durch die Massenträgheit im Schwerpunkt entsteht. In der zweiten Skizze, die das Kart von vorn zeigt, erkennt man die Kraft Fa im Schwerpunkt S wieder. Fa ist übrigens immer gleich groß, egal ob der Schwerpunkt hoch liegt, oder nicht. S1 zeigt den Schwerpunkt, wenn sich der Fahrer nach außen neigt und S2 zeigt, wenn sich der Fahrer erhebt. Man erkennt, daß die Linie zum Radaufstandspunkt von den Punkten S1 und S2 deutlich steiler ist. Das sorgt dafür, daß sich auf Basis der Kraft Fa eine größere Kraft Fd (Fd1 und Fd2 für die Schwerpunkts S1 und S2) ergibt. Damit ist gezeigt, daß ein höherer oder "weiter außen" liegender Schwerpunkt den Druck auf den Reifen erhöht, was letzlich den Grip positiv beeinfußt.

Das bedeutet aber, der Schwerpunkt von Evo-3 ist zu niedrig. Evo-4 soll also einen höheren Schwerpunkt erhalten. Also rechnen wir mal: Evo-3 hat vorn eine Spurbreite von 110cm. Die Hälfte nehme ich für die Rechnung an und ziehe noch geschätzte 5cm ab (weil ich mich ja nach außen neige). Der Schwerpunkt liegt bei 23cm. Die Spurbreite von Evo-4 liegt bei 125cm. Damit liegt mit einem Dreisatz der Schwerpunkt für Evo-4 bei 30cm. Damit erhalte ich also den gleichen Druck auf die Reifen. Nun wird Evo-4 aber ca 180kg wiegen. Evo-3 wiegt aber nur 130kg. Den Piloten (michse) mit 70 kg gerechnet muß ich im Dreizatz also die 30cm anpassen, um den Reifen nicht zu "überdrücken". Evo-4s Schwerpunkt sollte bei 23cm liegen.

Mal so ganz grob über den blaugehauenen Daumen gerechnet... Diesen Wert sollte ich versuchen, anzupeilen. Sollte ich den Schwerpunkt nicht so weit nach unten bekommen, was zu erwarten ist, muß ich über eine breitere Spur oder härtere Reifen (brauchen mehr Abtrieb um Grip aufzubauen) nachdenken.

Schwerpunkslage bezogen auf die Längsrichtung:

Hier erinnere ich mich wieder an die Massenträgheit im Schwerpunkt. Beim Bremsen wirkt die Masse mit einer Kraft nach vorn. Das sorgt dafür, daß die Vorderräder nach unten gedrückt werden - die Hinterräder werden angehoben...sinnbildlich. Der Andruck der Hinterräder wird geringer. Damit wird auch die Haftung geringer und damit kann weniger Kraft zum Abbremsen des Karts auf die Bahn übertragen werden. Je höher der Schwerpunkt, um so schlechter ist das. Da vermutlich der Schwerpunkt bei Evo-4 so bei 30cm Höhe liegen wird ...


(mal so aus dem Konzept und div. Anordnungen von Motor und Fahrer auf dem Chassis geschätzt)

...höher also, als bei Evo-3, sollte er also besser auch nach hinten verlegt werden.

Ich rechne mal... Evo-3s Schwerpunkt liegt 66cm hinter der Vorderachse und 23cm hoch. Daraus ergibt sich bei Evo-4s Schwerpunktshöhe ein Abstand von 80cm. Hmmm.

Da ich die Bremsballance (die Aufteilung der Bremskraft zwischen Vorder- und Hinterachse) einstellbar konzipiert habe (Zweikreissystem), denke ich, hier nicht unbedingt zu kleinlich vorgehen zu müssen.

Viel interessanter ist ein anderer Aspekt: Beim Beschleunigen sollte es hoch hergehen. Immerhin werden wohl die über 80Nm aus dem 750er über das Getriebe immer so satt Drehmomentüberschuß produzieren, daß die Reifen an ihrer Haftreibungsgranze für den Vortrieb genutzt werden können. Und das auch bei höhern Geschwindigkeiten. Damit wird also die Vorderachse entlastet. Nicht schlimm? Na aber! Wenn ich mit warmen, klebrigen Hinterreifen voll beschleunige, kann das dazu führen, daß die starre Hinterachse und die gut entlasteten Vorderräder ein Lenken unmöglich machen. Das wäre fatal, denn dann könnte ich die Leistung der 101PS-Kanonenkugel beim Herausbeschlenigen aus einer Kurve nicht voll einsetzten.

So gesehen sollte der Schwerpukt also mehr nach vorn gelegt werden? Evo-3 schafft die Räder aus dem Stand durchzudrehen, also die Haftreibungsgrenze gerade mal so zu überwinden. Im ersten Gang kann ich so noch ohne merkliches Untersteuern eine Kurve fahren. Da bei Evo-4 der Schwerpunkt wohl höher liegen wird und die Beschleunigung nicht höher sein kann, als was die Reifen noch haften, kann ich wieder im Dreisatz die Schwerpunktslage nach vorn verlegen. Nehmen wir an, daß der Schwerpunkt bei ca 30cm Höhe liegen wird, so sollte der Schwerpunkt bei ca. 51cm vor der Hinterachse liegen. Hmmm. 51cm vor der Hinterachse und 80cm hinter der Vorderachse heißt ja... Achsabstand 131cm. Ich habe aber nur 110cm. Also setzte die Schwerpunktslage hier so an, wie bei Evo-3. Eher mit der Tendenz nach hinten, denn gut abbremsen ist sicherer, als gut beschleunigen ;-)

Diesen Schwerpunkt tarieren wir denn gleich mal aus. Das ist wichtig, denn damit wird die Position vom Motor und Fahrersitz bestimmt. Und damit wird dann in Folge alles ander um die beiden herum gebaut werden müssen.

Erstmal ein schönes Gestell mit Seilwinde, um die Kanonenkugel sicher bewegen zu können. Dann eine Markierung am Chassis. Das Chassis dann leicht an dieser Stelle aufgebockt, so daß eine Radachse leicht den Bodenkontakt verliert. Motor und Fahrer werden plaziert. Die beiden "Massen" werden so lange vor und zurück plaziert, bis das Chassis mit den beiden auf den Böckchen im Gleichgewicht schwebt - also nur durch leichtes Verstellen der Masse "Pilotenkopf" entweder nach vorn kippt (Kopf nach vorn) oder nach hinten kippt (Kopf nach hinten). Jetzt sind die Positionen für Motor und Fahrer gefunden.

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