Stinttimer

Fast alle Veranstaltungen, auf denen ich das Kart bewege, haben einen Zeitplan. Das ist auch gut so, denn so können unterschiedliche Klassen eingeteilt werden. In den Klassen sind dann meist sehr ähnliche Fahrzeuge, was den Wettbewerb fördert und außerdem hat man zwischen den Fahrzeiten Pause zum Tanken, Reifen prüfen, Öl, prüfen, Schäden beseitigen oder einfach nur lose Schrauben suchen, Trinken, WC besuchen, Essen, analysieren, onboardvideos gucken... Einige Veranstaltungen haben einen straffen Zeitplan - andere hingen haben keinen. Hier wird dann nach "Strecke frei" die nächste Klasse eingewunken. Man bekommt zwar einen Zeitplan ausgehändigt, aber der ist dann schon alt und hängt eigentlich nur in der Box, damit man weiß, wann Mittagspause (Ruhe) sein muß.

Bewegt man sich aber auf GP-Strecken oder größeren Veranstaltungen (so ab 150 Teilnehmer), dann wird der Zeitplan schon recht präzise eingehalten. Das geht dann sogar soweit, dass man den verpennten Start seiner Klasse nicht nachholen darf und in der Box bleiben muß. Andererseits gibt's auch Veranstaltungen, die recht kurze Pausen zwischen den Klassen haben. Bei 6x20Minuten am Tag pro Klasse kann die Fahrpause mit 1 Stunde schon knapp werden. Das klingt komisch, aber spätestens nach dem 2. Stint merkt man als nicht voll durchtrainierter Hobbyist schon die ersten Verbesserungspotentiale der eigenen Kondition.

Nervös wird man spätestens, wenn die Pause nicht glatt läuft. Wenn z.B. ein Reifen platt ist und beim Wechsel auffällt, dass die Ersatzfelgen eine größere Einpressteife haben. Das Rad scheuert am Rahmen, die Hinterachse wird "zu schmal", hinten gipt's zu viel Grip. Also Radsterne weiter raus. Felgen wieder ab, Schrauben des Radsterns sind natürlich fest gewachsen. Verlängerung suchen. Drei Boxen weiter gibt's eine. Erste Schraube ist lose, die zweite auch - weil der Kopf abgeschert ist. Neue Schraube gipt's... auch in besagter Box. Nun den Gesindestummel rauspopeln. Tja... der war ja auch angewachsen. Man erkennt, dass 1 Stunde Pause eigentlich nur funktioniert, wenn auch das Kart funkioniert und keine Probleme hat an deisem Tag hat. Sowas soll's geben. Als Hobbyist hat man aber selten so viel Vorlaufzeit, um alles perfekt vorzubereiten ;-)

Es wäre auch für solche Fälle hilfreich, wenn man wüßte, wie lange man noch Zeit hat, bis man wieder auf die Bahn muß. Üblicherwise hängt man eine Uhr in die Box und klebt daneben den Zeitplan. Den kann man aber nur aus einer Entfernung bis Armlänge lesen. Dann fängt man an zu rechnen, wie lange noch Zeit ist. Jedesmal, wenn man auf die Uhr guckt. Meist ist die Uhr eine runde Zeigruhr mit Batterie. Klar, dass die Batterie selbstverständlich dann zu schwach wird, wenn der erste Stint gelaufen ist. Die Ersatzbatterien sind natürlich genauso alt, weil ja alle im Vorteilspack gekauft wurden. Und batteriebetriebene Zeigeruhren sind selbstverständlich unbeleuchtet und somit oft aus größerer Entfernung und Blickwinkel nicht lesbar. Das könnte handlicher gemacht werden...

Die Idee eines Stinttimers wurde geboren. Eine Uhr, die in der Box immer lesbar ist. Also beleuchtet und groß. Es soll immer die Zeit angezeigt werden, die noch übrig ist, bis man auf die Bahn darf. Und kurz vorher sollte sie dazu "wecken". Auch gut sichtbar optisch. Vielleicht auch aufdringlich akustisch - obwohl es in der Box oft eine sehr laute Geräuschkulisse gibt. Sowas sollte machbar sein.

Also hab ich das Konzept auf Basis meiner ATMEL-µController-Erfahrungen entworfen. Ein ATMEGA16, eine RTC (real Time Clock) einen DCF77-Empfänger(um die Zeit immer höchst genau zu haben), ein Display für die Informationen (Zeit, Restzeit, programmierte Stints), große beleuchtete Ziffern für die Restzeit (bis mindestens 10m Entfernung sehr gut lesbar), Alarmleuchten in Gelb und Grün (für die Weckzeit und die Stintlaufzeit) und eine aufdringliche Alarmhupe. Einfach irgendwie. Das Progrämmchen dafür ist ebenso übersichtlich, erfordert allerdings einiges an Zeit. Mit meinem Evaluierungsboard (STK500) kann ich das gut machen. Das Trickreiche bestand darin, die verfügbaren Libraries von BASCOM passend zu nutzen. Warum erfinden, was es schon gibt - und was vor allem getestet ist. So hängen z.B. die Softclock und die DCF77-Lib zusammen. Die Softclock läßt aber nicht zu, einen zweiten Uhrenquarz am µC zu betreiben. Weiterhin läuft die Softclock timer-gesteuert. Das führt zu masiven Abweichungen der Zeitbasis, wenn man weitere interrupts, als die dafür benötigten nutzt. Und das sogar, wenn man einen externen Taktquarz für den µC einsetzt. Ich bin da auf Minuten pro Tag gekommen. Untragbar. Aus der DCF77.Lib hab ich es nicht geschafft, die aktuelle Zeit zeittaktgenau rauszulesen. Es war ein Stück Ehrgeiz, dass die Sekunde des Stinttimers genau dann beginnt, wenn die DCF77-Sekunde beginnt - und nicht irgendwo innerhalb dieser Sekunde. (Sicher... das ist völlig irrelevant für den Rennbetrieb, aber...wenn schon, denn schon). Weiterhin mußte ich lernen, wann man was an die RTC kommuniziert. Zwischenleitlch lief die RTC immer genau eine Sekunde vor. Hä?. Naja, sobald ich aus dem DCF77-Lib-Statusbyte erfuhr, dass die Softclock synchronisiert wurde, hab ich die RTC mit der dieser aktuellen Zeit beschrieben, sie gestoppt und gestartet, damit ihr Sekundestart möglchst genau dem DCF77-Sekundenstart entspricht. Damit kam ich auf einen Versatz von um 15ms. Genau genug, denke ich. Aber... eben mit einer Sekunde Vorlauf. Grrrr. Die Lösung ist einfach: Erst die RTC stoppen/starten und dann die Zeit einschreiben. Beim Starten der RTC wird nähmlich sofort inkrementiert. Ha.

Nachdem mein Eval-Aufbau nach vielen Tests fehlerfrei lief, hab ich die LPs layoutet. EAGLE in der Demo-version läßt nur LPs bis 80x100mm^2 zu. Damit mußte ich also drei LPs bauen. Eine Haupt-LP und zwei für die Anzeigen.

Die Anzeigen-LPs sind gleich - die Bestückung jedoch unterschiedlich, da es eine rechte und eine linke Anzeige gibt. Die Haupt-LP kam leider fehlerhaft vom Belichter. Passiert - sollte nicht - war aber. Da ich nun nicht auf die Nachlieferung warten konnte, haben Matthias und ich mit seinem coolen Hobby-Leiterkarten-Plotter-"System" die fehlerhafte eine Seite der LP nachgebaut, draufgeklebt, gebort und befeilt.

Dann mußte ich löten. Durch die Limitierung der EAGLE-Demo mußte der µC ein SMD-Typ sein. 44 Mini-Pins mit einem "normalen" Lötkolben positionsgenau, brückenfrei und abfackelneutral anlöten war eine Herausforderung. Aber an sowas wächst man bekannteweise :-) Das Einbauen aller Komponenten ins natürlich zu eng geplante Gehäuse forderte auch so seine Zeit. Und dann kam der erste Test. Ui. Alles funktionierte. Nur... das DCF77-Modul bekam keine saubere Signalinterpretation hin. Es synchronisierte sich nach langem Eintunen immer auf die 1-Hz der RTC. Unfaßbar. Hatte ich die LP so schlecht geroutet? Nein. Alle Signale waren nie länger, als 1cm parallel geführt, es gab immer auch Masse-Bahnen daneben und haufenweise Signalkreuzungen. Mit dem Oszi konnte ich auch sehr saubere Signale abtasten.

Dem Schelm kam ich erst auf die Schliche, als ich mal das offene Gehäuse irgendwie anders auf dem Tisch liegen hatte mit dem Labornetzteil betrieb und plötzlich das DCF77-Modul synchronisierte. Netzteil? Hmmm. Tja. Der gekaufte Adapter ist ein getaktetes Teil. Da war Schmutz bis 30mA drauf. Ihh. Und... das auch noch bei ca. 80kHz. Da das DCF77-Signal mit 77,5kHz gesendet wird, war Fehlinterpretation logisch. Also hab ich die Versorgungsleitungen im Gehäuse nicht mehr fliegend quer über der Haupt-LP laufen lassen sondern möglichst weit weg. Dazu mußte ich die Anschlußbuchse versetzten, was nun ein nicht genutztes Loch hinterließ. Mist. Aber... ok... das war das einzige Manko an diesem Prototypen. So gesehen gar nicht so übel für so ein recht komplexes Hobbyprojekt, finde ich.

Das Display zeigt recht klar alle für mich wichtigen Infos an. Da muß man aber nur hingucken, wenn man den Stinttimer programmiert. Und dazu hält man ihn in beiden Händen nahe genug an beide Augen. Es zeigt sogar den DCF77-Puls an.

Die Tasten sind gut bedienbar und zu Sylvester haben wir den Stinttimer gleichmal eingeweiht. Nämlich zum einzigen Stint an Sylvester: 23:55-23:59. Das war ja fast spannender, als die Party in der Glotze :-)

Falls jemand noch irgendwelche positiven Anmerkungen hat, gern nehm ich die auf. Sicher kann man vieles noch anpassen - aber ob man das auch braucht, ist denn doch mit Überlegung zu prüfen. Zu viele Optionen sind auch immer ein Grund, so ein Gerät nicht gut bedienen zu können und dann in die Ecke zu werfen. Anbei hier die Bedienungsanleitung.

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